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Paula Muhr, aus »Double Flowers«, Fotografie, 80 x 114 cm (2010/2012)
Paula Muhr
Fotografie und Video

6. Juli - 25. August 2012
Mi - Sa 14 - 18:30 Uhr und nach Vereinbarung

TAZ

"Die Kunst vermag es nicht, Gespenstern nachträglich eine Stimme zu verleihen - eine Stimme im vollen Wortsinn - aber Paula Muhr hat sie mit dieser Arbeit in die Gegenwart geholt, hat sie dem medizinischen Kontext, in dem sie nur als Illustration dienten, entrissen und zu einem Gegenüber gemacht. Sie verleiht den Frauen eine Präsenz und durchaus eine Form von Schönheit. Und sie stellt eine Beziehung zu heutigen Erfahrungen psychischer Erkrankungen her, bringt sie auf Augenhöhe mit unserer Zeit."

Dr. Susanne Holschbach (Dozentin für Theorie und Geschichte der Fotografie)


Double Flowers

Paula Muhr beschäftigt sich mit Fotografie als Instrument der Wirklichkeitserzeugung und erforscht soziokulturelle Mechanismen der Konstruktion von Weiblichkeit, Männlichkeit, Sexualität, Begehren und Normalität. In den Installationen aus inszenierter Fotografie, Found Footage und filmischen Montagen aus Bildern, Texten und Sounds kommen analytische Forschungsmethoden zum Einsatz. Zentral ist die historische und zeitgenössische Rolle der Fotografie bei der Erzeugung gesellschaftlicher Erscheinungs- und Verhaltensnormen. Identität als Thema steht dabei immer im Mittelpunkt.

In Double Flowers hinterfragt Muhr wissenschaftliche Praktiken in der Konstruktion von Hysterie als »weiblichem Wahnsinn«, die sich in Filmen, Fotografien und Schriften des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts widerspiegeln. Aufgenommen wurden die Originalfotografien von Jean-Martin Charcot während seiner neurologischen Tätigkeit in der Nervenanstalt Hôpital de la Salpêtrière in Paris zwecks einer systematischen Katalogisierung von Nervenerkrankungen. Gerade psychische Störungen wie Wahnsinn, Hysterie oder Depression sind heute jenseits geschlechtlicher Disposition aktueller denn je und können auch als Ausdruck gesellschaftlicher Anforderungen und Strukturen gelten.

Für die 2010/12 entstandene Fotoserie Double Flowers und das dazugehörende Video kombiniert Muhr in der Manier niederländischer Stilllebenmalerei bewusst diffus abgezogene Fotografien von psychisch erkrankten Frauen, in deren Physiognomie man vermeintlich pathologische Anzeichen zu erkennen glaubte, mit organischen Materialien. Geheimnisvoll fügen sich die einzelnen symbolträchtigen Elemente in die Porträts ein und lösen diese aus dem Umfeld der medizinischen Kategorisierung heraus.